Vier Minuten und 31 Sekunden, 32, 33. Ich starre auf den Wahoo auf meinem Lenker. Die Zeit vergeht sehr langsam, während mein Herz immer schneller und schneller schlägt. Sehr schnell. 172 Schläge pro Minute und immer mehr.
Ich bin noch nicht einmal zur Hälfte durch meinen achtminütigen FTP-Intervall, aber ich habe es wahrscheinlich schon übertrieben. Ich kämpfe und schwitze wie verrückt; die Zimmertemperatur beträgt 20 °C, fühlt sich aber wie 50 an, trotz des Ventilators auf voller Leistung und dem offenen Fenster. Ich beiße die Zähne zusammen und pushe – es warten noch Intervalle von 10 Minuten und 3 Minuten auf Höchstleistung (also höchstmögliche durchschnittliche Leistung) auf mich. Jetzt sind Konzentration und Schmerzresistenz gefragt.
WAS TUE ICH HIER EIGENTLICH?
Vor ein Paar Wochen sah ich die Unterrubrik „Scouting“ auf der Website von BORA-Hansgrohe, mit einer Beschreibung der Leistungstests für Nachwuchsfahrer. Da ich ihre neuen Kits cool fand, entschied ich, es mal auszuprobieren. Ich weiß, dass ich niemals vor Sam Bennett in einem Sprint fahren oder auf einem langen Anstieg das Tempo für Wilco Kelderman angeben werde, ich wollte aber trotzdem wissen, warum ich eigentlich körperlich nicht in der Lage dazu bin. Und ich war bereit, für die Antworten etwas zu leiden.
DER TEST
Wie so oft bei den brutalsten Tests, die man auf einem Rad machen kann, steckt der Teufel im Detail – in den einfachen 10 Aufzählungspunkten. Es handelt sich immerhin um zwei Stunden Test, also sicherlich kein Spaziergang. Ich musste aufgrund von Zeitbeschränkungen die Restzeit zwischen Intervallen auch noch verkürzen, was sich nicht zu meinem Vorteil ausgewirkt hat (oder das will ich zumindest glauben). Außerdem konnte ich den Tag vor dem Test nicht frei nehmen, somit sind meine Ergebnisse nicht gerade glanzvoll. Hier ist der Test:
- 30 Min. Aufwärmen
- 2-Mal 10 Sek. voller Sprint mit 15 Min. leichtem Fahren dazwischen
- 20 Min. leichte Fahrt
- 30 Sek. höchste Intensität
- 15 Min. leichte Fahrt
- 8 Min. bei FTP (nach Gefühl)
- 10 Min. leichte Fahrt
- 10 Min. höchste Leistung (höchste durchschnittliche Leistung)
- 15 Min. leichte Fahrt
- 3 Min. höchste Leistung (kann in den letzten 30 Sek. Sprint sein)
- Leichtes Fahren für den Cooldown.
Es ist ebenfalls wichtig, zu erwähnen, dass man sich am Morgen des Tests nicht wiegen muss und wie vor einem Rennen essen kann (also nicht bei den Kohlenhydraten sparen!). Dann muss man den Leistungsmesser kalibrieren und sicherstellen, dass der Herzschlagmesser funktioniert und der Akku geladen ist. Abschließend ist noch zu sagen, dass der Test auf einem Turbo Trainer oder draußen mit einem Gefälle von 6-8 % durchgeführt werden kann.
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DIE ERGEBNISSE
Ich sandte die Ergebnisse an Dan Lorang, Leiter von Performance und Innovation bei BORA-Hansgrohe, und das Urteil war wie eine kalte Dusche, auf die ich allerdings vorbereitet war.
„Mit einer VO2max von 47,5 mmol/min/kg sind Sie weit entfernt vom Niveau eines potenziellen Profis“, schrieb er mir. „Bei diesen Tests erwarten wir Werte von mindestens 70 mmol/min/kg und darüber (bis zu 90 wie bei, zum Beispiel, George Bennett), um wirklich im Profiradsport mithalten zu können.“
Meine Schwellenleistung ist ebenfalls niedrig (3,2 W/kg), im Vergleich zu den üblichen Werten um die 4,9 W/kg, aber es gibt Grund zur Hoffnung. „Mit der niedrigen Laktataufbauquote von 0,02 mmil/l/s können Sie wahrscheinlich über einen längeren Zeitraum die Schwellenleistung halten“, fügte Lorang hinzu. „Ihre Stärke liegt in der konstanten Leistung, wie z. B. in Einzel-Zeitfahrten oder längeren Anstiegen.“
Das ergab Sinn für mich, da ich aus dem Langstrecken-Triathlon komme. So weit Lorang, und er muss es ja wissen – denn außer BORA-Hansgrohe trainiert er auch WeltmeisterInnen wie Jan Frodeno und Anne Haug sowie die dreimalige Vizegewinnerin in Hawaii, Lucy Charles-Barclay. Das war also die gute Nachricht, zumindest für meine Triathlon-Leistung. Um jedoch besser im Radfahren zu werden, würde ich meine Leistung in mehreren Bereichen verbessern müssen.
VERBESSERUNGSWÜRDIG
Das erste, was laut Lorang zu verbessern wäre, ist meine VO2max. Er sagt jedoch auch, dass es wissenschaftlich unmöglich ist, dass ich jemals an die Werte eines Profis heranreichen werde. Selbst wenn ich jünger wäre – meine VO2max ist einfach zu niedrig.
„VO2max-Training ist ziemlich bekannt," sagt er. „Auf der einen Seite kann man das Trainingsvolumen erhöhen. Auf der anderen kann man im VO2max-Bereich arbeiten, mit Intervallen. Man kann anfangen mit 30/30 (30 Sek. bei VO2max, 30 Sekunden leicht) und dann auf bis zu 3/4/5 Min. bei VO2max erhöhen. Damit würde die VO2max erhöht, was zu einem besseren Leistungsniveau und Fettmetabolismus führt.“
Dann ist da die andere Metrik, die maximale Laktataufbauquote in meinen Muskeln (VLamax). „Bei Ihnen ist sie sehr, sehr niedrig – was gut für das Ironman-Training ist, aber für das Radfahren müssten wir an Ihrem anaeroben System arbeiten, um es kraftvoller zu machen. Dafür würden wir leere Kohlenhydrat-Speicher vermeiden und jedes Training mit vollen Speichern durchführen.“
Andere Bereiche, die ich verbessern kann, wären Körpergewicht und -zusammensetzung. Aber Lorang gibt mir klar zu verstehen, dass es sich hierbei nur um Optimierungen und nicht um Revolutionen handelt.
ABER GEHT ES EINFACH NUR UM ZAHLEN?
Natürlich ist BORA gegenüber neuen Talenten stets offen, wenn ein Sportler diesen Test mit besseren Ergebnissen als ich absolviert. „Ich würde nicht sagen, dass wir nur die Kennzahlen von Athleten, wie VO2max oder AT bewerten, wenn wir neue Fahrer auswählen“, so Lorang. „Aber wir wissen, dass man ein bestimmtes Potenzial haben muss, um auf dem Niveau der WorldTour erfolgreich zu sein.“
Wenn die Zahlen eher zu meinem Vorteil ausfallen würden, würde sich Lorang zunächst meine Rennresultate, meine Trainingsdaten und meine Vorgeschichte ansehen und erst dann hätten wir vielleicht telefoniert. Es geht aber um mehr als nur den körperlichen Aspekt. Es geht auch um die Persönlichkeit eines Fahrers und ob er zur Teamkultur und in die Aufstellung passt.
DER ZUGANG ZU BORA-HANSGROHE
BORA nutzt diesen Leistungstest nun seit vier Jahren und jeder Fahrer, der dem Team beitritt, oder das gerne würde, stellt sich den zwei leidensvollen Stunden. Der Test gibt ihnen ein Paar Zahlen, um verschiedene Fahrer zu vergleichen und ihren körperlichen Zustand zu verstehen.
Was sie mittlerweile wissen, ist, dass die Fahrer den Test lieber draußen durchführen, daher auch das maßgeschneiderte Programm für den Anstieg. „Draußen ist es realistischer“, so Lorang. „Der erste Intervall ist ein Schwellenintervall, bei dem man die Werte und den Körper etwas einstellen kann, dann kommt ein 10minütiger Test mit höchster Leistung und 3 Minuten Leistung und mit diesen Zahlen bekommt man eine Idee vom Schwellenwert und der VO2max. Aus diesen zwei können wir die VLamax berechnen.“
Nach dem Test vergleichen sie dann noch die Ergebnisse mit den Labortests oder Laktattests des Fahrers für mehr Informationen.
Obwohl keiner der derzeitigen Fahrer von BORA von der Scouting-Website kommt, hat einer ihrer Fahrer, der Bahnradexperte Frederick Wandahl, den Leistungstest im Laufe des Rekrutierungsprozesses absolviert und seine guten Ergebnisse waren ein wichtiges Puzzleteil im Vertragsabschluss.
Das Ziel der Website, so Lorang, ist weiterhin, ein Ausnahmetalent zu finden. „Es braucht viel Arbeit und Glück [das zu finden]. Mit dem richtigen System kann man jedoch seine Chancen steigern, um einen ganz besonderen Athleten zu finden, der sowohl körperlich als auch mental bereit und fit ist, um dem Team beizutreten.“
Nun ist mir zwar klar, dass ich 2022 kein Mitglied des BORA-Teams werde, aber zumindest weiß ich auch, warum. Wenn Sie denken, dass Sie eine größere Chance als ich haben könnten, hier ist die Website. Viel Glück!