Der Leistungsmesser von SRM, die anklippbaren Aerobars von Scott, die Plattformpedale von Look – sie haben alle gemeinsam, bahnbrechende Erfindungen für den Sport zu sein, den wir lieben. Aber was kommt als Nächstes? Was ist das nächste Produkt, dass von der Elite übernommen und perfektioniert wird, bevor es sich unter den Amateuren verbreitet?
Nun, laut Phil Southerland und einer wachsenden Anzahl von Nutzern auf der ganzen Welt gibt es da nur eine Antwort. „Supersapiens mit Abbott Libre Sense ist das ultimative Leistungstool“, sagt der Gründer des Unternehmens von der anderen Seite des Atlantiks, kurz vor seiner Abreise zur Tour de France, um dort die Teams zu betreuen, die das Produkt nutzen, einschließlich Ineos-Grenadiers und Jumbo-Visma. „Unserer Voraussicht nach wird CGM, Continuous Glucose Monitoring, also kontinuierliche Glukosevisibilität, so wichtig wie die anderen Messwerte werden, die Radfahrer zur Leistungssteigerung nutzen, wie Puls und Wattleistung.“
Das hört sich zunächst etwas übertrieben an. Aber wenn man etwas tiefer geht, etwas so tief wie das Filament des Biosensors, der die Glukosewerte in der interstitiellen Flüssigkeit unter der Haut misst, wird einem schnell klar, dass Supersapiens mehr als ein Marketingtrick ist. Southerland ist ein Pragmatiker, der mit Typ 1 Diabetes lebt, seit er gerade mal sieben Monate alt ist; heute ist er 39. Seinen Eltern wurde gesagt, er würde mit 25 tot oder erblindet sein. Zum Glück gaben sie nicht auf und dank ihres Engagements hatte Southerland von klein auf Zugang zu den neuesten Geräten für Glukosevisibilität und die besten Ärzteteams.
Southerlands Kraft und Vertrauen wuchs. Mit 12 entdeckte er das Radfahren. 2007 führte er ein Team von Radfahrer mit Diabetes nicht nur zum Sieg des RAAM (Race across America), sondern stellte dabei auch noch einen neuen Weltrekord auf. Kurz danach taten sich Phil und das Team mit Novo Nordisk zusammen, um das Team Novo Nordisk zu gründen, das erste professionelle Radsportteam, dass ausschließlich aus Fahrern mit Diabetes besteht und immer noch existiert und in der UCI ProSeries fährt. Lange Rede, kurzer Sinn: Die Meinung Southerlands ist keine Verkaufsstrategie, er spricht aus Erfahrung.
Phil Southerland. Foto: Thomas Maheux
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„Ich verwende die Technologie von Supersapiens in der einen oder anderen Form nun seit 15 Jahren und habe kaum mehr ein Blutzuckermessgerät dabei“, sagt er. „Tatsächlich war das letzte Mal, dass ich meine Glukosewerte aus einer Blutprobe gemessen habe, vor drei Monaten. Ich habe damals die Werte von meinem CGM mit etwas verglichen, was man HbA1C nennt, eine Tabelle mit Diabetes-Werten über drei Monate, und sie stimmen überein. Es funktioniert, und zwar nicht nur für Diabetiker wie mich, sondern für jeden Fahrer.“
(NB: Der Libre Sense Sensor ist nicht für Diabetiker indiziert und nur zur Nutzung durch Sportler/Athleten gedacht.
SO FUNKTIONIERT ES
Daniel Healey ist Sportphysiologe und Ernährungsberater für Sportler und Experte für Leistung bei Rouleur. Er kennt sich mit CGM und ihrer Nutzung durch Amateur-Radfahrer bestens aus und wird uns über die nächsten Wochen eine fundierte wissenschaftliche Erklärung der Funktionsweise des Supersapiens-Tools bieten. Hier ist fürs Erste die Kurzfassung, und die ist ziemlich unkompliziert:
Man lädt die Supersapiens-App herunter und bringt dann Abbott‘s Libre Sense Glukose-Sportsensor am Arm an. Das hört sich emotional erstmal nicht so unkompliziert an, denn der Gedanke der Einführung eines kleinen Filaments unter die Haut ist eher weniger angenehm. Wir waren zunächst auch skeptisch, konnten dann aber nicht glauben, wie absolut unmerklich er ist (selbst während der schlaflosen Nächte in einer Hitzewelle im Juli). Der Sensor überträgt minütlich Glukosewerte an die App, sodass man die Energiezufuhr optimal verwalten kann, um bestmögliche Leistungen zu erzielen.
Es ist diese revolutionäre Herangehensweise an Ernährung, die die Investoren überzeugt hat und zu einer anfänglichen Finanzierung in Höhe von 13,5 Millionen USD geführt hat. Bisher gab es unzählige Trainingstools zur Messung unzähliger Leistungswerte. Die Energiezufuhr war bisher jedoch so ziemlich dem Zufall überlassen, was im Leistungssport eher eine Seltenheit ist, da dies gravierende Folgen haben kann, sollte man daneben liegen. Supersapiens könnte dem Anschein nach diese Lücke füllen.
Das System funktioniert bereits und wird von vielen Athleten auf der ganzen Welt genutzt – das Supersapiens-System ist in Österreich, Frankreich, Deutschland, Irland, Luxemburg, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich verfügbar, allerdings noch nicht in den USA.
„Es ist kein Wundermittel“, so Southerland. „Es ist einfach eine Möglichkeit, mehr über sich zu erfahren, zu erforschen, einzugreifen und die beste persönliche Leistung zu erbringen. Das braucht Zeit. Ich beobachte meinen Körper nun seit 30 Jahren und erlebe auf Fahrten immer noch Überraschungen. Daher braucht es mindestens ein Paar Monate der Verwendung von Supersapiens, um zu sehen, wie man auf bestimmte Nahrungsmittel und Trainingseinheiten reagiert, bevor man eingreift. Als Radfahrer sind wir es natürlich gewohnt, Dinge auszuprobieren, ganz gleich, ob das verschiedene Intervalle sind, um zu sehen, wie sie unsere leistungsbezogene anaerobe Schwelle beeinflussen oder die Nutzung von unterschiedlichem Zubehör auf verschiedenen Strecken. Dasselbe gilt für CGM.“
DER ANWENDUNGSNUTZEN IST WESENTLICH
Die App funktioniert so, wie sie jetzt ist, allerdings, so Southerland, arbeitet das Team daran, sie noch weiter zu vereinfachen. „Wir werden sie in drei Schlüsselbereiche aufteilen. Einmal „Prime“, was die vier bis fünf Stunden vor einer Fahrt umfasst. Wenn es eine Erholungsfahrt ist oder etwas anderes einfaches, dann ist das nicht so wichtig. Aber für die Fahrten, bei denen man wirklich einen Schwerpunkt setzen und bestimmte Anpassungen perfektionieren möchte, dann ist die Vorbereitung bzw. „priming“ wesentlich. Wie man in den 12 bis 24 Stunden vor einem großen Rennen oder Fahrt Energie tankt, ist von großer Bedeutung. Und noch wichtiger ist das eben in diesen vier bis fünf Stunden. Dann gibt es andere Erwägungen zwischen dieser Zeit und dem Start.
Foto: Thomas Maheux
„Der nächste Bereich ist „Perform“. Wie muss der Blutzuckerspiegel aussehen, um optimal zu leisten? Wenn man weiß, was funktioniert, zum Beispiel, ob man morgens Porridge mit oder ohne Marmelade essen sollte, kann man zurück zur Priming-Phase gehen und rückwirkend eine Strategie bilden, mit der man sichergeht, dass man so lange wie möglich im Leistungsbereich bleibt.
„Der letzte Bereich ist „Recover“. Wir haben viele Daten dahingehend, dass die Muskeln kein Glykogen zur Erholung aufnehmen können, wenn die Glukosewerte nach dem Sport unter 72 mg/dl sinken. Die Nutzung dieser Daten, um zur Erholung die richtige Menge an Energie zuzuführen, verändert alles.
SO OFT ES EINEM PASST
Wie oft man ein CGM-Tool wie Supersapiens nutzt, so Southerland, hängt von der Art von Fahrer ab, der man ist. Der „interessierte“ Sportler, der 5-10 kg abnehmen möchte, könnte es vielleicht vierteljährlich einen Monat lang anwenden. Sich dann beobachten, ernährungstechnische Anpassungen vornehmen, wieder beobachten. Dann ist da der Fahrer, der in drei Monaten an einem großen Rennen teilnehmen wird, wie dem Mallorca 312 oder der Haute Route, und der den Körper im Zuge des Trainings dafür besser verstehen möchte. Schließlich gibt es den „seriösen“ Fahrer, der es das ganze Jahr über nutzen kann.
Fahrer, oder eben Läufer. Eliud Kipchoge aus Kenia, von vielen als größter Ausdauersportler aller Zeiten angesehen und der einzige Mensch, der für einen Marathon unter zwei Stunden gebraucht hat, nutzt das Tool seit Anfang 2021. . „Es ist vielversprechend, wie Eliud und sein Team Supersapiens nutzen“, sagt Southerland. „Sein Coaching-Team sahen sich zwei Monate lang die Daten an, bevor sie sie mit Eliud teilten. Dann begannen sie, ernährungsbezogene Veränderungen durchzuführen.“
Eliud Kipchoge. Foto: Naomi Baker/Getty Images
Finden Sie heraus, ob die Zahlen stimmen und schauen Sie beim Marathon der Herren am 7. August hinein. Oder schalten Sie ein beim Grand Prix der Formel 1 am Sonntag, 1. August; Formel-1-Legende Lewis Hamilton nutzt auch Supersapiens. Die Stars versammeln hinter sich ein Team von Experten, was allen Rennradfahrern bekannt sein dürfte.
WICHTIGE INVESTOREN
„Wir haben viele wichtige Investoren an Bord“, so Southerland. „Da ist Chip [Hawkins, Gründer von Wahoo Fitness], der der Grund ist, warum wir heute ein Unternehmen sind. Er ist Investor und berät mich wöchentlich. Er hat mit dem Supersapiens Energy Band geholfen, einem tragbaren Gerät für das Handgelenk, das in Echtzeit Glukosewerte anzeigen wird und in Kürze eingeführt wird. Supersapiens wird auch bald auf Wahoo sein, zusätzlich zu Garmin, mit denen wir bereits zusammenarbeiten. Wir testen regelmäßig die gemeinsame Leistung, da wir für den IRONMAN Kona im Oktober trainieren.“
Chris Froome ist auch Investor und Southerland nennt CGM als Grund dafür, dass Froome das Renngewicht für die Tour in diesem Jahr erreicht hat. Quick Step, einige französische Teams, Qhubeka, Anna van der Breggen und, wie bereits gesagt, Ineos-Grenadiers, Jumbo-Visma und CANYON//SRAM nutzen das Produkt. Letztere erhalten sogar eine ganz persönliche Betreuung, denn ihr leitender Ernährungsberater und Sportwissenschaftler Asker Jeukendrup ist einer der Köpfe hinter Supersapiens.
Das ist ein ziemlicher Coup, denn Jeukendrup gilt als der Gott der Glukose, der vor mehreren Jahren die Reihe an Gelen von Powerbar mit der speziellen Proportion von Glukose:Fruktose populär machte und damit die Menge an Zucker, die ein Fahrer pro Stunde metabolisieren kann, von 60 g auf 90 g erhöhte. Vor der Entdeckung enthielten Gele im Allgemeinen nur Glukose, durch den intestinalen Transport konnten jedoch nicht mehr als 60 g absorbiert werden. Bei einer größeren Menge kam es zu Magenproblemen. Jeukendrups Forschung zeigte, dass, wenn man der Mischung Fruktose hinzugab, die eine andere Art des intestinalen Transports nutzt, die Fähigkeit zur Absorption von Kohlenhydraten und damit die Leistung erhöht werden kann. „Asker hilft uns auch mit der Supersapiens University“, so Southerland. „Das ist eine Plattform, die wir nutzen, um Coaches zu zeigen, wie sie das Produkt nutzen können.“
Chris Froome. Foto: Noa Arnon
Und, wie Southerland selbst sagt und unsere eigene Erfahrung uns gezeigt hat, ist das wirklich wesentlich; denn der Fluss an interessanten Daten ist halt auch nur das, wenn man nicht weiß, was man mit ihnen anfangen soll. „Wir arbeiten ständig an diesem Aspekt und damit wird das Produkt im Laufe der Zeit immer nutzerfreundlicher. Trotzdem bekommen wir, ehrlich gesagt, durch das Feedback der Fahrer das Gefühl, dass das Produkt bereits so wie es ist, eine Revolution darstellt.“
ÜBERZEUGUNGSARBEIT BEI DER UCI
Scheinbar zu revolutionär für die UCI, denn der internationale Radsport-Verband verbat in diesem Jahr die Nutzung von CGM-Tools wie Supersapiens bei Rennen, auch aus Bedenken heraus, dass der Radsport wie die Formel 1 werden könnte und bei jungen Fahrern große Leistungsungleichheiten auftreten würden. „Es ist Teil unserer Arbeit, das Produkt zu erklären, warum es so wichtig ist sowie die unterschiedlichen körperlichen Vorgänge“, so Southerland.
„Die Fachliteratur im Bereich Sportphysiologie besagt, dass nicht-Diabetiker vollständige Kontrolle über ihre Glukosewerte haben, was es [ihre Entscheidung] erklärt“, meint er. „Aber auf dem Rad ist jeder Diabetiker! Wir alle erleben große Schwankungen in unserem Blutzuckerspiegel und, was noch viel gravierender ist, viele Fahrer unterzuckern beim Fahren. Dies beeinträchtigt die motorischen Fähigkeiten, das Gehirn, die Fähigkeit, mehr Kraft freizusetzen...“
„Man kann bei Rennen die Leistung, den Puls und sogar die Kerntemperatur messen. Der Blutzucker ist der einzige Messwert, der verboten ist und nicht zur etablierten Vorgehensweise passt. Aber wir müssen einfach mit ihnen zusammenarbeiten und es ihnen erklären. Ehrlich gesagt muss ich der UCI auch danken, denn sie haben uns erlaubt, seit Jahren diese Art von Produkt im Team Novo Nordisk anzuwenden.“
Professionelle Teams dürfen Supersapiens beim Training nutzen, was etwas überraschend ist, und Amateure können es nach Belieben nutzen. Was sie auch immer zahlreicher tun. „Was man nicht messen kann, kann man auch nicht verbessern“ ist ein Mantra vieler Rennradfahrer.
Die Reise hat für Supersapiens gerade erst begonnen, aber wenn die Praxis die Theorie bestätigt, dann werden wahrscheinlich Sensoren für Glukosevisibilität so häufig werden wie Herzfrequenzmessgeräte. Dann könnten wir auch Leistungssprünge von historischem Ausmaß sehen.
Produced in collaboration with Supersapiens