„Auf der Höhe unglaublicher, intensiver Anstrengung, während das Blut in den Ohren rauscht, kommt auf einmal eine Stille auf. Alles ist klarer und weißer als zuvor, als ob große Scheinwerfer angestellt würden. In diesem Moment ist man überzeugt, dass man alle Kraft der Welt hat, alles bewältigen kann, dass einem Flügel wachsen. Es gibt keinen wertvolleren Moment im Leben, als diesen weißen Moment, und man wird über Jahre unermüdlich daran arbeiten, dies nochmal zu erleben.“ Yury Vlasov, legendärer Gewichtheber aus den 60ern.
DIE LETZTE ANSTRENGUNG
Meine Weste ist offen und flattert an meinen Seiten wie ein Superheldencape. Meine Welt besteht nur noch aus den 10 Metern vor mir. Mein Herz schlägt wie ein Hammer, dennoch bin ich trotz der Situation klar und fokussiert und trete in die Pedale mit dem Wissen, das jede Sekunde zählt. Meine brennenden Beine erinnern mich pausenlos daran, dass ich an meine Grenze gestoßen bin (vielleicht bin ich sogar darüber hinaus), während ich weiter auf der Straße ansteige, die zum Gipfel führt. Alles andere verschwindet, mein Kopf ist klar; ich habe, wie Vlasov sagt, Flügel
Das dreimonatige Programm von Anfang an mit Teil eins verfolgen.
Mein Rennen im Rennen auf der Haute Route Ventoux kommt nun zu einem grandiosen Finale, der letzten Anstrengung in einem Anstieg auf den Gipfel, der sich in den letzten drei Tagen in mein Gehirn und meine Knochen eingebrannt hat. Der „Gigant der Provence“ ist ein Berg mit einer langen Geschichte im Radsport und der Schauplatz einiger der legendärsten und auch tragischsten Momente des Sports, ein Mecca für Radfahrer auf der ganzen Welt, obwohl dort selten Zeitbergfahrten stattfinden.
Ich stand also hinter der Startrampe und musste daran denken, dass einige der Fahrer, die ich im Rücken hatte und die in der allgemeinen Klassifizierung direkt vor mir sind, sich sagten, dass ich leichte Beute im Rennen sein würde. Dem Anschein nach zu urteilen hatten sie vielleicht recht – neben den drahtigen Bergfahrern sehe ich wie ein Bahnsprinter aus; aber im Inneren wuchs mein Vertrauen in die Grundlagen der zwei vorangegangenen Tage.
Es ist ein Glaube, der ohne den Weg der vergangenen drei Monate, in denen ich eng mit dem Sportwissenschaftler Daniel Healey zusammengearbeitet habe, nicht möglich gewesen wäre, denn ich habe gelernt, Glukosevisibilität in Echtzeit dank Supersapiens zu nutzen, um meine Ernährung und mein Training so zu verfeinern, dass ich in optimaler Form in Bedoin ankomme. Dennoch, trotz all des Fachwissens von Daniel, trotz der Einblicke von Supersapiens, trotz der zahllosen, perfekt ausgeführten Trainingseinheiten und dem strikt befolgten Ernährungsplan verbleibt ein Fünkchen Unsicherheit, eine leise Stimme, die sich fragt, wie alles funktionieren wird, wenn es darauf ankommt.
TAG EINS: ZURÜCK ZUM ANFANG
Die Erfahrung hat mir gezeigt, dass der einzige Weg, diese Stimme zur Ruhe zu bringen, einfach losfahren ist. Dennoch, während auf dem Weg aus Bedoin heraus eine Masse Fahrer an mir vorbeischwärmt, hat es den entgegengesetzten Effekt. Die Stimme wird stattdessen lauter, sagt mir, dass alles umsonst war und ignoriert all meine Argumente, dass sich das Tempo bald beruhigen wird, dass die anderen einfach zu unbedacht sind und dafür weiter vorne bezahlen werden. Ich widerstehe der Versuchung, meine ganze Kraft aufzuwenden, und denke daran, dass 350 Watt erstmal ausreichen, wenn immer noch 100 km und 3000 m Anstieg vor mir liegen.
Als das Rennen zu seinem Rhythmus findet und ich sparsamer mit meinen Kräften umgegangen bin, beginne ich, Fahrer zu überholen, die nun den Preis für ihre früheren, irrtümlichen Anstrengung zahlen. Meine Beine fühlen sich gut an, ich klettere geschmeidig den Berg hoch, mein Geist ist ruhig und mit jedem weiteren Kilometer steigt mein Selbstbewusstsein. Kurz nach der ersten Verpflegungspause bin ich in einer Gruppe schneller, ernst scheinender Fahrer, die alle das Tempo erhöhen möchten. Ich halte mit ihnen mit, tue sorgfältig meinen Teil, aber genieße es, etwas herunterzukommen und meine Beine zu schonen. Bis ich einen Platten habe und sie an mir vorbeisegeln.
Die nächsten 60 km bieten wieder etwas mehr Grund zur Hoffnung, trotz des einsamen Fahrens: Ich überhole wieder mehr Fahrer, was mich bei jedem Mal anspornt. Nur als ich an die unteren Hänge des Mont Ventoux gelange, beginne ich, die Effekte des Solofahrens zu spüren, und damit auch die Rückkehr der kleinen Stimme. Nur säuselt sie mir nun zu, dass der Gipfel nahe ist. Sie ist eine Stimme der ruhigen Vernunft, die mich vorantreibt, als meine Beine aufgeben wollen, bis ich endlich das Ziel erreiche. Ich bin auf dem Gipfel und eine Welle der Euphorie schwappt über mich.
TAG ZWEI: FAST PERFEKT
Woche elf
Montag |
60 Min. in Zone 2, mit 2-mal 15 Sekunden-Sprints TSS 45,0 |
Dienstag |
90 Minuten in Zone 2 TSS 80,0 |
Mittwoch | Ruhetag |
Donnerstag |
60 Min. in Zone 2, mit 2-mal 15 Sekunden-Sprints TSS 45,0 |
Freitag |
90 Min. in Zone 2 TSS 80,0 |
Samstag |
60 Min. Fahren, einschließlich 10-mal [6-mal 10 Sekunden an/10 Sekunden aus] TSS 40,00 |
Sonntag |
3 Stunden 30 Min. in Zone 2, TSS 180,00 |
Woche zwölf
Montag | Ruhetag |
Dienstag |
60 Min. in Zone 2, 5-mal 15 Sekunden-Sprints TSS 55,0 |
Mittwoch |
90 Min., einschließlich 3-mal [10 Min. in Zone 2/10 Min. in Zone 3] TSS 105 |
Donnerstag |
75 Min. in Zone 2, 5-mal 15 Sekunden-Sprints TSS 65 |
Freitag |
Ruhetag |
Samstag |
90 Min., einschließlich 3-mal [10 Min. in Zone 2/10 Min. in Zone 3] TSS 105 |
Sonntag |
Für Woche 1-2, siehe Teil eins.
Für Woche 3-4, siehe Teil zwei.
Für Woche 5-6, siehe Teil drei.
Für Woche 7-8, siehe Teil vier.
Für Woche 9-10, siehe Teil fünf.
Tag zwei wird ein härterer Test, mit einem Parkours von 153 km, einschließlich 3500 Höhenmetern, und dennoch fürchte ich mich vor nichts, auch nicht der gewaltigen Aufgabe, von Malaucene auf den Mont Ventoux zu fahren. Stattdessen durchströmt mich eine ruhige Gelassenheit, die sich in einen nahezu perfekten Renntag überträgt. Ich gleite beinahe mühelos den Berg hoch während ich endlich genießen kann, das Tempo selbst zu kontrollieren, statt mich an anderen Fahrern zu orientieren, wie das zuvor so oft der Fall war.
Die Kilometer gleiten an mir vorbei, bis ich, etwas mehr als vier Stunden später, den Gipfel des Ventoux über mir thronen sehe. Ab hier ist jeder auf sich allein gestellt und es dauert nicht lange, bis sich unsere Gruppe gelichtet hat und jeder in seinem ganz eigenen Rennen steckt. Ich habe nur Augen für die Fahrer vor mir und trete fest in die Pedale unter meinen Füßen, um so viele wie möglich zu überholen. Dann kommt ein Abschnitt von 3 km mit einem stetigen Gefälle von 12 %, in dem wieder leise Anflüge von Zweifel kommen, ich höre jedoch nicht hin und kanalisiere meine Energie dahin, mich noch schneller den Berg hochzuschrauben.
Nachdem das Schlimmste geschafft ist und ich wieder einen klaren Kopf habe, erhöhe ich langsam das Tempo, halte meine Energiereserven aufgefüllt und bin bereit, bis zum Gipfel alles zu geben. Es schmerzt, aber auf eine komische Art genieße ich es auch. Es spornt mich an, fordert mir mehr ab, zu einem Zeitpunkt, an dem ich mich normalerweise aufgesetzt und etwas weniger gestrampelt hätte. Meine Beine tun weiter ihren Dienst, bis durch die Bäume der Gipfel in Sicht kommt, was mich weiter motiviert und das tief in mir brennende Feuer weiter anfacht. Das ist alles, was ich brauche, um wieder den Gipfel zu erreichen und mir, zum ersten Mal in meinem Leben, das Gefühl (und, laut meiner Frau, auch das Aussehen) zu geben, ein echter Radfahrer zu sein.
TAG DREI: DER LETZTE COUNTDOWN
Und so bricht der letzte Tag an, mit dem individuellen Zeitfahren und einem letzten Schubs. Wegen schlechten Wetters ist der Gipfel nicht sicher, daher werden wir nur bis Chalet Reynard gegen die Zeit fahren, was trotzdem immer noch eine außerordentliche Herausforderung darstellt – 16 km und 1070 m Anstieg. Ich beginne mit dem Wissen, dass die Fahrer vor mir im Ranking hinter mir stehen, und die Fahrer hinter mir schneller sind, also muss ich genau eins vermeiden: überholt werden.
Was folgt, ist eine beinahe spirituelle Erfahrung; ich fahre mit einer mentalen Klarheit, die ich bisher noch nie erlebt habe. Um Vlasov zu zitieren, scheint alles klar und Weiß, und ich habe den unerschütterlichen Glauben in meine Fähigkeit, eine gute Stunde lang die 350 Watt zu halten, mit denen ich das Ziel erreichen kann. Die einzige Stimme, die ich jetzt höre, ist die meines kürzlich verstorbenen Großvaters, der sein ganzes Leben lang einer meiner größten Unterstützer war, was zur beinahe übernatürlichen Erfahrung dieses Rennens beiträgt. Ich hebe mich aus dem Sattel, als die Ziellinie in Sicht kommt und mobilisiere jedes Quäntchen Energie, während mein ganzer Körper schmerzhaft pulsiert und ich die Uhr stoppe, über meinem Lenker hänge und nach Luft schnappe.
Meine Zeit beträgt eine Stunde, drei Minuten und 39 Sekunden, was für den 55. Platz des Tages ausreicht; das hört sich vielleicht nicht so beeindruckend an, für mich ist es jedoch ein Riesenerfolg. Ich habe 33 Fahrer, die im Gesamtklassement vor mir in den Tag gestartet sind, überholt und das Rennen in den oberen 25 % beendet, in einem besonders kompetitiven Umfeld. Darüber hinaus habe ich mein Bestes gegeben und weder im Rennen noch in den drei Monaten davor mehr tun können. Es ging nie darum, in Frankreich Erster zu werden, sondern die verschiedenen Puzzleteile aus den drei vorherigen Monaten zusammenzusetzen und auf höchster Stufe zu leisten, mit dem Wissen, dass mein Bestes gut genug ist. Es ist leicht, zu vergessen, dass auf jeder Reise unsere Entwicklung viel wichtiger ist, als die Ziele, die wir erreichen. Der Prozess selbst führt zu viel mehr Zufriedenheit als die sehr flüchtigen Momente des Glücks am Ende des Rennens.
Mit meinem ganzen Programm, dessen Herzstück die Glukosevisibilität in Echtzeit von Supersapiens war, habe ich meine Grenzen neu definiert. Ich bin zu einem viel besseren Radfahrer geworden, einer, der über das Selbstbewusstsein und die Standfestigkeit verfügt, um noch größere Herausforderungen zu suchen, einer, der weiß, dass das nur der Anfang ist.